Ist Selbstoptimierung der Weg in ein besseres Leben?

Artikel von Tommy Weber am 28. April 2022 um 11:04 Uhr im Forum Gesundheit & Körperpflege - Kategorie: Trend & Lifestyle

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Ist Selbstoptimierung der Weg in ein besseres Leben?

28. April 2022     Kategorie: Trend & Lifestyle
Um es gleich vorwegzunehmen: Der Weg der Selbstoptimierung ist ein sehr langer Prozess mit vielen Hochs und Tiefs. Wann fängt die Selbstoptimierung eigentlich an? Streng genommen schon mit dem ersten Schrei. Bevor Kinder sicher auf ihren eigenen Beinen stehen und damit laufen können, werden sie sehr oft hinfallen, sie versuchen aber, immer wieder aufzustehen. Dies ist bereits ein Teil der Selbstoptimierung. Geschafft ist dieser Prozess, wenn Kinder sicher und souverän auf beiden Beinen die Welt für sich entdecken.

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Üben und niemals aufgeben
Alles, was der Mensch kann, hat er so lange geübt, bis es endlich klappte, ganz gleich, ob es um das Laufen lernen, Schreiben und Lesen, eine Schleife machen oder um das Lösen von Konflikten ging. Durch viel Zeit, zuschauen, zuhören und üben werden Kinder immer besser und für viele Lernprozesse müssen sie sich nicht einmal überwinden. Der Drang, sich selbst zu optimieren, steckt also in jedem Menschen, es kommt aber immer darauf an, wie diese Selbstoptimierung aussieht und wie weit sie gehen darf. Das Wort Selbstoptimierung bringt es auf den Punkt: Der Mensch ist bestrebt, immer besser zu werden. Worin besser, muss jeder für sich selbst entscheiden, denn Selbstoptimierung ist etwas Individuelles.

Die eigenen Fehler erkennen
Beim Drang zur Selbstoptimierung liegen Glück und Unglück sehr nahe beieinander. Wer seine Schwächen immer vor Augen hat, wird wahrscheinlich danach streben, immer besser zu werden, was unter Umständen gefährlich werden kann. Selbstoptimierung bedeutet vielleicht besser, aber nicht um jeden Preis perfekt zu werden. Den perfekten Menschen hat es nie gegeben, es gibt ihn nicht und es wird ihn niemals geben. Die Gefahr der heutigen Leistungsgesellschaft liegt aber darin, dieses Ziel anzustreben, nur um dann zu erkennen, dass es nie erreicht werden kann, ganz gleich, wie groß die Bemühungen auch sind.

Jeder, der sich selbst optimieren will, sollte daher so klug sein und versuchen, seine Ziele etwas enger zu stecken. Besser zu werden, ist in vielen Bereichen des Lebens durchaus erstrebenswert, aber der Versuch, perfekt zu werden, ist sinnlos.

Ein Geschäftsmodell mit Erfolg
In den Bereichen von Diäten und Fitness wird gerne damit geworben, dass jeder die „bessere Version seiner Selbst“ sein kann. Hieß es noch vor einigen Jahren, dass die Maße 90-60-90 und die Kleidergröße 34 nur Modellmaße waren, so sind sie heute für viele zum angestrebten Ziel einer Selbstoptimierung geworden. Sich selbst zu optimieren, ist plötzlich die ideale Lösung für alle noch so lästigen Probleme, wie etwa mit den Körpermaßen. Das Geschäft mit den Vorschlägen zur Selbstoptimierung boomt und ist aus wirtschaftlicher Sicht ein voller Erfolg. Jeder Mensch sollte schließlich einen, nur auf ihn zugeschnittenen Ernährungs- und Trainingsplan haben, zugleich muss er dabei begleitet werden, diese Pläne auch in die Tat umzusetzen.

Wer es sich leisten kann, engagiert einen Personaltrainer, der dabei hilft, Figur und Fitness in einen optimalen Bereich zu bringen. Ein Diätassistent achtet sehr streng darauf, dass reichlich Proteine und so wenig wie möglich Kohlenhydrate gegessen werden. Fleisch ist tabu, wer sich selbst optimieren will, ist gegen Massentierhaltung und setzt stattdessen auf Tofu und Algen. Wer sich vegan ernährt, muss kein schlechtes Gewissen haben und ein auch durchtrainierter Körper ist schließlich gesund. Oder vielleicht doch nicht?

Die Gefahren der Selbstoptimierung
Grob gesagt sind diejenigen, die sich selbst optimieren wollen, gnadenlose Egoisten, die sich selbst kasteien und dafür noch Applaus und Bewunderung erwarten. Dass nicht jeder ihrer Meinung ist, sorgt für Enttäuschung und führt entweder zur Rolle eines nie müde werdenden Missionars oder auf geradem Weg in die Depression. Wer nur davon spricht, wie toll es ist, sich selbst zu optimieren, wird schnell feststellen, dass er nur noch wenige Freunde hat. Wer will sich schon den ganzen Abend anhören, wie ungesund Fleisch und wie gesund Rohkost ist oder wie viele Sit-ups heute schon geschafft wurden?

Menschen, die nur um sich selbst kreisen und sich als Mittelpunkt sehen, werden schnell einsame Menschen sein, die gar nicht verstehen können, was sie falsch machen. Schließlich bringt nur das Brainstorming voran und ein perfektes Zeitmanagement ist der Weg in ein erfülltes Leben. Jeder Punkt des Tages ist bis ins kleinste Detail durch getaktet, nur einschlafen müssen die Selbstoptimierer noch selbst.

Das Leben lässt sich nicht berechnen
Geht es nach der Werbung und den unendlich vielen Blogs im Netz, dann ist es eine Kleinigkeit, durch Diäten attraktiv und schön zu werden, den Tag perfekt zu strukturieren, gesund zu sein und vor allem niemals müde zu werden. Wer keinen BMI von 18 hat, soll sich gefälligst mal zusammenreißen, Disziplin ist das oberste Gebot. Leider spielt das Leben nach seinen eigenen Regeln und bremst viele ehrgeizige Ziele einfach aus. Wer ein Fitness-Level erreicht hat, muss damit rechnen, dass das nächste Level nicht mehr erreicht werden kann, selbst wenn es vielleicht schon in greifbarer Nähe ist. Das Leben lässt viel zu oft keine Zeit mehr für neue Herausforderungen und Kapazitäten.

Um perfekt zu sein, reichen Maßbänder und Waagen, Schrittzähler, Daten und moderne Technologien nicht aus. Es ist allein das Gefühl, worauf sich jeder Mensch verlassen sollte, denn diese Gefühle sind echt und keine Ziele, die unbedingt noch erreicht werden müssen.

Worauf es ankommt
Diejenigen, die verkniffen und verbissen an ihrer Selbstoptimierung arbeiten und bei wunderschönem Wetter auf den leckeren Eisbecher verzichten, nur weil ihr Fitnessarmband es verbietet, verpassen ihr Leben. Alle, die ständig damit beschäftigt sind, ihre Herzfrequenz, ihren Puls und ihre Schritte zu zählen, werden wahrscheinlich nie einen Weg finden, um glücklich zu sein. Wer hingegen lernt, sich zu entspannen, gelassener zu werden und einfach mal die Seele baumeln zu lassen, wird erstaunt feststellen, dass auch so etwas bestens funktioniert. Wer entspannt ist, kann mehr erreichen und wer frei ist, kann sich nach seinen Vorstellungen weiterentwickeln. Mit Zwang, Disziplin und noch mehr Anstrengung wird es nicht gelingen, fröhlich und glücklich zu sein.

Glückliche Menschen sind leistungsstarke Menschen, sie brauchen keine durch getakteten Terminkalender und starren Speisepläne, die sich nur auf wenige Kleinigkeiten beschränken. Natürlich ist es eine gute Idee, sich Ziele zu setzen und das Beste aus seinem Leben zu machen. Eine verbissene Selbstoptimierung sollte aber nach Möglichkeit nicht zu diesem erfüllten Leben gehören.

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Bildquelle: © Depositphotos.com / wedmov
 

Kommentare

#3 3. Mai 2022
Ich finde das Thema spannend und bin selbst ein Freund von Selbstoptimierungs-Büchern oder „Life Hacks“, sehe aber auch die Problematik hinter der Marketingstrategie und wenn man den Lifestyle zu weit treibt. Eigentlich ist Selbstoptimierung ja eine Grundidee des Lebens, weil wir uns ständig weiterentwickelnd und danach streben, zu wachsen.
 
#4 5. Mai 2022
Kommt halt auch auf den Fokus an. Wenn man sich grundlegend okay findet und um seine Stärken und Schwächen weiß, halte ich es auch für normal an sich zu arbeiten und vielleicht in dem, worin man gut ist, noch besser werden zu wollen. Wenn man sich realistische Ziele in machbaren Einzelschritten setzt, so dass man regelmäßige Erfolgserlebnisse hat, stärkt das sicher auch das Selbstbewusstsein.

Wenn das ganze halt einen Defizit-Fokus hat, ist es was anderes. Ich glaube, niemandem tut es gut sich ständig mit seinen Schwachstellen und Fehlern auseinanderzusetzen. Zudem ist es oft schwer in etwas, das einem gar nicht liegt, gut zu werden. Also hat man ständig Misserfolge. Und selbst wenn einem die Selbstoptimierung der eigenen Schwächen gelingt, kann man immer noch davon ausgehen, dass viele andere besser daran sind. Und wenn man das so angeht, tut das wahrscheinlich niemandem gut.