Langsame Webseiten: Telekom und Cloudflare im Clinch

Telekom Kunden werden es schon seit einiger Zeit bemerkt haben, dass viele Webseiten vor allem gegen Abends sehr langsam werden, zumindest zeitweise. Auch die Namensauflösung durch den Cloudflare DNS ist davon teilweise betroffen. Ursache ist ein ungünstiges Routing ohne direkten Transit zum Telekom-Endnutzer und eine dadurch entstehende Überlastung am alternativem Internet Exchange. Einige Telekom-Surfer werden bemerkt haben, sobald sie einen VPN zwischen schalten, ist das Problem meist behoben.

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Langsame Webseiten: Telekom und Cloudflare im Clinch

9. November 2023     Kategorie: IT & Sicherheit
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Einführung in die Routing-Problematik: Grundlagen des Internetverkehrs


Bevor wir die spezifischen Probleme zwischen der Telekom und Cloudflare diskutieren, ist es wichtig, ein fundamentaleres Verständnis des Internet-Routings zu besitzen. Das Internet ist ein globales Netzwerk aus Millionen von kleineren Netzwerken, die durch Router und eine Vielzahl von Transitprovidern miteinander verbunden sind. Jede Datenanfrage, die ein Benutzer stellt, wird durch etliche Zwischenstationen geschleust, bis sie schließlich das Ziel erreicht. Dieser Prozess wird als "Routing" bezeichnet.

Für den Transport dieser Datenpakete werden oftmals netzwerkübergreifende Vereinbarungen getroffen, die als "Peering-Agreements" bezeichnet werden. Über diese Abkommen tauschen Netzwerkbetreiber Datenverkehr untereinander direkt aus, ohne dafür einen Transitprovider bezahlen zu müssen. Sollte jedoch kein direktes Peering vorliegen, wird zur Übertragung der Daten auf Transit-Services zurückgegriffen, die den Datenverkehr durch ihre Netzwerke leiten und dafür eine Gebühr erheben.

Die Akteure: Telekom und Cloudflare


Telekommunikationsunternehmen wie die Deutsche Telekom verfügen über eines der größten Netzwerke in Europa und spielen eine entscheidende Rolle im Routing-Prozess. Cloudflare hingegen ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das ein breites Spektrum an Netzwerkdiensten anbietet, einschließlich eines Content Delivery Networks (CDN), Website-Sicherheit und DDoS-Schutz. Cloudflares Dienste sind darauf ausgerichtet, die Ladezeiten von Webseiten zu verkürzen und sie vor bösartigen Angriffen zu schützen.

Konfliktquelle: Routing und Transitkosten


Routing-Effizienz und ihre Tücken


Die Geschwindigkeit und Effizienz, mit der ein Nutzer auf eine Website zugreifen kann, hängt maßgeblich von der Qualität des Routings ab. Eine optimale Route ist die kürzeste und schnellste Verbindung zwischen dem Nutzer und dem Zielserver. Sollte eine Route ineffizient sein, kommt es zu erhöhten Latenzzeiten ("Ping") und letztendlich zu langsameren Ladezeiten für Endnutzer.

Transitkosten – Wer zahlt die Rechnung?


Im Kern des Konflikts stehen oft die bereits erwähnten Transitkosten. Bei großen Telekommunikationsanbietern wie der Telekom fallen hohe Kosten für den Transit an, die ein CDN-Betreiber wie Cloudflare tragen muss, um den Datentransport durch die Telekom-Netzwerke zu ermöglichen. Diese Kosten können insbesondere dann ein Streitpunkt werden, wenn es um die Übernahme der Kosten für größere Datenmengen geht, die durch hochfrequentierte Dienste wie die von Cloudflare generiert werden.

Technische Details: Was geht hinter den Kulissen vor?


Das Routing-Dilemma


Die Telekom priorisiert naturgemäß den profitablen Verkauf ihres Transitservices, wohingegen Cloudflare darauf ausgerichtet ist, Kosten zu minimieren und dennoch hohe Performance für ihre Kunden zu liefern. Wenn Nutzer der Telekom auf eine von Cloudflare betriebene Webseite zugreifen wollen, könnte sich die Telekom dafür entscheiden, die Route über teurere Transit-Wege zu führen, anstatt ein günstigeres oder gar kostenloses Peering Agreement mit Cloudflare zu suchen oder aufrechtzuerhalten.

Die Herausforderung des Peering


Die zum Teil komplizierten Beziehungen zwischen verschiedenen Internet Service Providern und CDNs können dazu führen, dass Peering Agreements nicht zustande kommen oder bestehende aufgekündigt werden. Sowohl die Telekom als auch Cloudflare betreiben eigene Netzwerke mit eigenen Geschäftsinteressen. Ein Hauptstreitpunkt ist oft das Traffic-Volumen: Bei einem ungleichen Verhältnis des ausgetauschten Datenverkehrs können Netzwerk-Provider wie die Telekom höhere Preise für ihr Peering fordern oder eben nur den bezahlten Transit als Option anbieten.

Fallbeispiel: Langsame Webseiten durch Routing-Probleme


Messung und Erfahrung


In einigen Fällen hatten Nutzer der Telekom berichtet, dass der Zugriff auf Webseiten, die Cloudflare-Dienste nutzen, erheblich langsamer ist als bei Nutzung anderer Netzwerkprovider. Dieser Geschwindigkeitsverlust ist direkt auf das Routing zurückführbar. Messungen der Datenroute können zeigen, dass Pfade überflüssig verlängert wurden und Webinhalte statt den direktesten Weg zu nehmen, umständlich durch verschiedene Netzwerke geleitet werden.

Auswirkungen auf den Endnutzer


Für den Endnutzer äußert sich dies in langsameren Ladezeiten der Webseite und einer verminderten Nutzererfahrung. Da der Großteil der Nutzer eher geneigt ist, die Ursache beim Webseitenbetreiber als beim eigenen Netzwerkanbieter zu suchen, kann dies auch negative Auswirkungen auf die Betreiber der betroffenen Websites haben.

Mögliche Lösungsansätze


Verhandlung und Kompromiss


Langfristig liegt es im Interesse beider Parteien, eine Lösung zu finden, die sowohl für die Telekom als auch für Cloudflare und deren Kunden vorteilhaft ist. Verhandlungen, die zu fair ausgehandelten Peering-Vereinbarungen oder zur gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur führen, könnten die Geschwindigkeitsprobleme signifikant reduzieren.

Regulatorische Intervention


Sollten sich die Unternehmen nicht einigen können, könnte es auch eine Aufgabe der Regulierungsbehörden sein, sicherzustellen, dass die Netzneutralität gewahrt bleibt und ein gerechter Wettbewerb ermöglicht wird.

Technische Optimierung


Von technischer Seite könnten Maßnahmen wie die Optimierung des Traffic-Engineerings, der Einsatz von Anycast-Routing oder die Erweiterung der physischen Infrastruktur möglicherweise dazu beitragen, die gegenwärtigen Engpässe zu überwinden.


Was können Telekom-Kunden tun?


Eine direkte Beschwerde im Telekom Forum (wird meist abgewimmelt) - die Masse stört allerdings und schafft ein negatives Image - was den Handlungsdruck für die Deutsche Telekom AG stark erhöht. Weiter sollte eine Beschwerde direkt an den Telekom-Support gehen und ggf. auch eine Kündigung erwogen werden. Immerhin ist die Telekom der teuerste Anbieter für Internet in Deutschland - für diesen Preis können Kunden einen freundlichen Support erwarten und ein Unternehmen das Kundenwünsche berücksichtigt.

Wer einen VPN hat, kann diesen verwenden, dadurch wird ein anderes Routing verwendet - je nach Serverstandort. Ob diese extra Kosten für alle in Frage kommen - wohl kaum. Nach aktuellen Statistiken verwenden etwas weniger als ein Viertel der Internetnutzer einen VPN.


Fazit: Komplexe Verhältnisse bedürfen innovativer Lösungen


Die Problematik rund um langsames Laden von Webseiten im Telekom-Netz, die Cloudflare-Dienste nutzen, ist emblematisch für die komplexe Natur des Internet-Routings und die wirtschaftlichen Interessen, die hinter den Kulissen spielen. Um eine Verbesserung der Situation zu erreichen, ist ein Zusammenspiel aus technischen, wirtschaftlichen und möglicherweise auch regulatorischen Maßnahmen notwendig. Langfristig werden es die Nutzer sein, die von einer verbesserten Kooperation profitieren und somit auch der Druck auf die beteiligten Unternehmen, praktikable Lösungen zu finden, wird weiterhin bestehen.

Quelle: Europäische Netzwerknutzungsgebühren: Mehr als nur ein Konflikt zwischen Big Tech und großen Telekommunikationskonzernen