So destabilisiert der Ölpreis-Crash die Welt

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Reform, 4. Mai 2020 .

  1. 4. Mai 2020
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 4. Mai 2020
    Der Ölpreis ist auf ein historisches Tief gefallen und könnte lange dort verharren. Das destabilisiert ganze Weltregionen die von der Ölförderung abhängig sind. Eine Übersicht, welche Länder die Krise verkraften können und welchen der Zusammenbruch droht.


    Die Coronakrise hat die Welt verunsichert, und in den kommenden Monaten könnte sich das Gefühl der Unsicherheit zuspitzen. Ein Grund dafür ist der fallende Ölpreis, der in mehr als einem Dutzend Ländern weltweit eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen droht, die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zerrütten könnte.
    Niedrige Ölpreise haben immer wieder zur Destabilisierung ganzer Weltregionen beigetragen. In den Achtzigerjahren beschleunigte ein Preisverfall den Niedergang der Sowjetunion, deren Staatshaushalt stark vom Erdölexport abhing. 2014 bis 2016 kam es zu sozialen Unruhen in Nahost und Westafrika, als die Ölpreise fielen.
    Petro-Staaten halten ihre Bevölkerung oft mit hohen Sozialausgaben bei Laune, zum Beispiel mit billigem, subventioniertem Benzin. Fallen die Ölpreise, müssen Regierungen solche Maßnahmen oft stoppen - was Spannungen provoziert. Kommen weitere destabilisierende Faktoren hinzu - ein rasches Bevölkerungswachstum, eine Rezession, eine ohnehin angezählte Regierung oder wie derzeit eine Pandemie – drohen politische Krisen. Und, in der Folge, neue Flüchtlingsströme in Richtung USA und Europa.

    Derzeit stehen die Ölpreise, je nach Sorte, bei 15 bis 20 Dollar pro Barrel (159 Liter) - und damit so tief wie seit den Neunzigerjahren nicht mehr. Laut Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin könnten die Folgen des Preisverfalls "die heftigsten seit Jahrzehnten sein" - weil manche der betroffenen Staaten mit mehreren Krisen zugleich kämpfen.



    1. Die Resilienten
    Zu den resilienten Staaten, die das Ölpreistief vergleichsweise gut wegstecken dürften, zählen große Industrienationen wie die USA, Kanada, China, Norwegen und Brasilien. Sie exportieren zwar große Mengen Öl, verfügen aber gleichzeitig über eine diversifizierte Wirtschaft: Der Beitrag der Ölindustrie zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) macht nur wenige Prozent aus.
    2. Die Abgepolsterten
    Zu dieser Kategorie zählen Länder, die vom Preisverfall zwar hart getroffen werden, weil ihre Volkswirtschaften zu einem erheblichen Teil von Öleinnahmen abhängen – die es sich aber im Prinzip leisten können, ohne allzu große soziale Härten durch die Krise zu kommen.
    Länder dieser Kategorie sind Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sie erwarten im laufenden Jahr teils zweistellige Defizite, verfügen aber gleichzeitig über Hunderte Milliarden Dollar schwere Staatsfonds. Ihre Schuldenstände sind zudem vergleichsweise niedrig, sie können sich bei Bedarf leicht frisches Geld am Kapitalmarkt leihen.
    In Risikokategorie zwei fällt auch Saudi-Arabien, der drittgrößte Ölexporteur der Welt. Auch in diesem Land sind vorerst keine sozialen Verwerfungen zu erwarten. Unterm Strich dürfte der niedrige Preis für Saudi-Arabien allerdings schmerzhafter sein als für seine reichen Nachbarländer.
    Saudi-Arabien produziert mehr Öl als Kuwait, Katar und die VAE zusammen. Die Regierung in Riad braucht einen vergleichsweise hohen Ölpreis von 74 Dollar pro Barrel, um ihren Haushalt ausgeglichen zu halten.

    Einen Teil dieser Verluste wollen die Saudis aus ihren gewaltigen staatlichen Rücklagen ausgleichen, einen weiteren Teil durch neue Schulden. Gleichzeitig sollen die Staatsausgaben gekürzt werden. "Stark betroffen dürfte ausgerechnet jener Bereich sein, der die Wirtschaft des Landes eigentlich unabhängiger vom Öl machen soll", sagt SWP-Expertin Westphal. Etwa der Ausbau der Ökostrom-Technik. Und so dürfte die derzeitige Preiskrise das Land auch in seiner mittelfristigen Entwicklung zurückwerfen.
    Ähnlich hart getroffen ist Russland, die zweitgrößte Exportnation der Welt. Der Etat des Kremls wird nach Schätzungen fast zur Hälfte von Öleinnahmen gespeist. Nach Angaben des russischen Finanzministers Anton Siluanov wären die staatlichen Rücklagen von 124 Milliarden Dollar Ende 2020 zur Hälfe aufgezehrt, wenn der Ölpreis weiter im Tief feststeckt. Gleichzeitig wertet der russische Rubel in Ölpreiskrisen oft ab – was hilft, das Haushaltsdefizit in Grenzen zu halten.


    3. Die Gefährdeten
    Zu Risikoklasse drei zählt unter anderem Oman. Die Regierung in Muskat ist stark vom Öl abhängig, verfügt aber nur über geringe Rücklagen. Sie dürfte sich schwertun, soziale Härten abzufedern.
    Um die Arbeitslosigkeit niedrig zu halten, wird die größtenteils junge Bevölkerung bisher oft mit Jobs in einem der 34 Ministerien versorgt. Entsprechend hoch sind die Staatsausgaben. Zur Finanzierung des Haushalts braucht Oman eigentlich einen Ölpreis von rund 85 Dollar, für das laufende Jahr wird nun mit einem Defizit von 17 Prozent gerechnet. Ob alle Staatsangestellten all ihre Löhne erhalten, scheint ungewiss.


    Das Sultanat dürfte zudem auch mittelfristig unter der Ölpreiskrise leiden: Seine Ölvorräte gehen zur Neige, die Wirtschaft soll eigentlich diversifiziert werden, zum Beispiel durch den Bau einer riesigen Raffinerie. Nun fehlt dafür das Geld.
    In Iran ist die Situation noch prekärer. Die Ölproduktion hat sich wegen der US-Sanktionen seit 2017 ohnehin etwa halbiert; nun verdient der Staat auch noch immer weniger an diesem kläglichen Rest.
    Der Zugang zum Kapitalmarkt ist dem Land weitgehend verstellt, die Wirtschaft durch die Sanktionen geschwächt. Obendrein ist Iran vom Coronavirus stark befallen, darf aber manche Medizinprodukte wegen der Sanktionen nicht importieren.

    Die staatlichen Rücklagen scheinen nicht zu reichen, um diese multiple Krise zu managen: Das Land hat erstmals seit der Revolution im Jahr 1979 beim Internationalen Währungsfonds Hilfen von fünf Milliarden Dollar angefragt.
    Das Kieler Institut für Weltwirtschaft sieht Iran vor dem "wirtschaftlichen Kollaps" und appelliert an die EU, die Regierung in Teheran zu unterstützen. Andernfalls drohten eine humanitäre Katastrophe und eine schwere Störung der ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen.
    In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, drohen bereits politische Unruhen. Der Staat, der seinen Haushalt angeblich zur Hälfte durch Ölgewinne deckt, rechnet mit einer tiefen Rezession, plant Budgetkürzungen und erwägt, Sozialleistungen zu streichen.
    Die Einsparungen sind auch nötig, um Nahrungsimporte weiter zu finanzieren, ohne die der Staat seine rund 205 Millionen Einwohner nicht ernähren kann. Die Arbeitslosigkeit indes dürfte steigen. Das würde viele unter 25-Jährige treffen, die 63 Prozent der Bevölkerung stellen. Die Regierung gilt als instabil. Das Gemisch all dieser Faktoren wirkt brandgefährlich für das westafrikanische Land.

    Soziale Verwerfungen drohen auch in Angola. In dem südwestafrikanischen Land machte die Ölproduktion 2017 rund 15,8 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Der Staatsetat, der auf Basis eines Ölpreises von 55 Dollar kalkuliert worden war, ist nicht zu halten. Die Inflationsrate könnte auf bis zu 24 Prozent steigen, schreibt die Economist Intelligence Unit, ein Analysedienst der Zeitschrift "Economist". Da ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung noch immer in Armut lebt, dürften die sozialen Folgen verheerend sein. Immerhin: Die innenpolitische Lage in Angola wird von Experten stabiler eingeschätzt als in Nigeria.
    Ebenso verheerend ist der niedrige Ölpreis für Ecuador. Die Ratingagentur Fitch hält das hoch verschuldete Land im Norden Lateinamerikas bereits für teilweise bankrott. Denn Ecuador kann wegen des niedrigen Ölpreises und einem vergleichsweise starken Corona-Ausbruch seine Schulden nicht mehr komplett bedienen. Eigentlich müsste die Regierung bis Mitte Juli 811 Millionen Dollar Zinsen für Staatskredite zahlen; nun wurde die Fälligkeit dieser Verbindlichkeiten in den August verschoben.
    Je länger Corona- und Ölpreiskrise andauern, desto größer wird die Gefahr eines kompletten Staatsbankrotts. Für die rund 17 Millionen Einwohner und die rund 400.000 Geflüchteten aus Venezuela sind das düstere Aussichten. Die Hilfen aus dem staatlichen Sozialfonds dürften sinken, die seit 2017 ohnehin zunehmende Verarmung der Bevölkerung dürfte sich beschleunigen.


    4. Die Katastrophenfälle
    Vollends verheerend ist der Verfall des Ölpreises für Krisenstaaten wie Libyen und Syrien, die kaum oder keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben und die Einnahmen aus dem Ölexport dringend benötigen, um nicht völlig von Terror oder Spaltungsbewegungen zersetzt zu werden.

    Quelle: Geopolitik: So destabilisiert der Ölpreis-Crash die Welt - DER SPIEGEL - Wirtschaft

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    Daten/zahlen, sind der Quelle zu entnehmen.

    Wenn die Coronakrise bis Ende des Jahres anhält, werden einige Ölabhängige Länder destabilisiert und in die Knie gezwungen. Ich wüsste nicht, was ich dem Text noch hinzufügen könnte. Finde jeder kann ahnen, wohin das führt.
     
  2. 4. Mai 2020
    Zuletzt bearbeitet: 4. Mai 2020
    Der niedrige Ölpreis killt auch Industrieländer wie USA und DE, die in die Schwellenländer exportieren, welche vom Öl abhängig sind, daher wird es diese genauso hart treffen wie die direkt betroffenen nur verzögert. Das vergessen viele, denn die Maschinen und Werkzeuge für die ganze Förderung, Pumpen, Rohre, Bagger, Stromerzeuger usw stammen aus den reichen Industrieländern. Aber nicht nur das, denn auch der normale Konsum von Kleidung, Elektronik usw bricht in den Schwellenländern ein. Auch deren Kaufkraft nimmt ab, da deren Währung, die sich aufgrund der höheren Staatsverschuldung in Fremdwährungen, in einem Abwärtsstrudel befindet.
    Die Investitionen für die Ölförderungen werden Weltweit stark eingeschränkt oder komplett gestrichen.

    Die zu niedrigen Ölpreis sind also nicht Wirtschaft förderlich, sondern im Gegenteil, diese "Deflation" schädigt die Wirtschaft deutlich stärker als alles was man bisher kannte, denn den Fall das alles da ist im Überfluss, gab es noch nie. Es gibt folglich also keinen Hebel und keine Schraube, der Freie-Markt ist gestorben.

    Denn eines ist ganz klar, vor dem Angebot ist immer die Nachfrage da... wenn es umgekehrt ist, entsteht nicht zwingend ein Markt. Und die Nachfrage sinkt mit sinkenden Preisen, da die Einkünfte und Jobs parallel abbauen und somit der Deflationsspirale weiter Rezessionskraft verleihen, vor dieser Angst beugt sich die Nachfrage.

    Um Investitionen und Konsum wieder in gang zu bringen, wird es wohl enorme finanzielle Anstrengungen geben und die Frage, ob diese Schulden jemals von den Kindern der Zukunft getragen werden können - welche dann auch noch mit der ausgelaugten und zerstörten Umwelt konfrontiert werden.

    Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, heißt es doch... wundert mich also nicht, wenn es eine Revolution gibt, die den jetzigen Wohlstand absägen würde um die eigene Zukunft und die der Nächsten zu retten.

    Das Motto darf also lauten, die fetten Jahre sind vorbei, jetzt bekommt jeder sein Fett weg!

    Eine Normalität wie vorher kann es nicht mehr geben. Überflüssig wird nun vieles... wer sich Nachhaltig machen will, der kann sich in die Konservenfabrik begeben als Einlage.
     
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