Wie gefährlich sind invasive Ameisen-Superkolonien?

Artikel von Carla Columna am 5. März 2018 um 12:21 Uhr im Forum Haus, Garten, Tiere & Pflanzen - Kategorie: Wissenschaft

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Wie gefährlich sind invasive Ameisen-Superkolonien?

5. März 2018     Kategorie: Wissenschaft
Ameisen spielen eine wichtige Rolle in unserem natürlichen Ökosystem. Sie sind die "Müllabfuhr" des Bodens, aber auch Gärtner und Hüter des Waldes. Doch den heimischen Ameisenarten droht eine Invasion. Mehrere neu entdeckte Arten bilden Superkolonien, was macht den größten Organismus der Welt so gefährlich? Bereits auf mehreren Kontinenten etablieren sich Argentinischen Ameise, doch eine weitere "Supermacht der Insekten" hat Potential, die Lepisiota canescens aus Äthiopien.

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Ameisen-Superkolonie breitet sich über drei Kontinente aus
Die Populationen der Argentinischen Ameise (Linepithema humile) in Europa, Nordamerika und Japan bilden eine nahezu weltumspannende Superkolonie. Dies entdeckten Wissenschaftler um Eiriki Sunamura von der Universität Tokio, indem sie das Aggressionsverhalten der Tiere gegenüber Artgenossen aus weit entfernten Nester beobachteten. (Sendung von planet-wissen.de zum Thema: Ameisen: Die Argentinische Ameise (BR))

Dazu setzten sie jeweils zwei Linepithema-humile-Ameisen von verschiedenen Kolonien einander gegenüber und analysierten ihre Reaktionen. Die europäischen und nordamerikanischen Insekten zeigten nur bestimmten japanischen Artgenossen gegenüber ein aggressives, feindliches Verhalten, wie es für Ameisen aus unterschiedlichen Kolonien üblich ist. Gegenüber einer zweiten Gruppe japanischer Ameisen verhielten sie sich dagegen so, wie sie verwandten Arbeiterinnen aus der gleichen Kolonie begegnen würden, zum Beispiel mit bestimmten Antennenbewegungen.

Vermutlich stammen die Kolonien, deren Mitglieder sich gegenseitig bekämpfen, aus verschiedenen Ursprungspopulationen in Südamerika, die sich später ausgebreitet haben. Einander friedlich gesonnene Tiere sind sich im Unterschied dazu wohl genetisch sehr ähnlich und verfügen über beinahe identische Duftmarken, so dass sie sich gegenseitig als Mitglieder einer großen Kolonie anerkennen, erklären die Wissenschaftler.

Die Argentinische Ameise ist mittlerweile auf allen Kontinenten außer der Antarktis heimisch. Sie kann Kolonien von mehreren hundert Kilometern Länge bilden, mit einer Länge von über 6000 Kilometern ist die Superkolonie an der europäischen Mittelmeerküste die größte.


Winzlinge mit großer Wirkung

Forscher befürchten, dass diese eingewanderten argentinischen Ameisen schwerwiegende Auswirkungen auf andere Arten haben könnten und zudem das Potential haben, ganze Ökosysteme zu verändern. Die Wissenschaftler arbeiten daher an einer Strategie um die Invasiven Ameisen zu entschlüsseln. Sie wollen Abwehrmaßnahmen entwickeln, bevor eine zu starke Ausbreitung nach Norden möglich wird. Mit Hausmitteln alleine (wie auf ameisen-ratgeber.de beschrieben) lassen sich diese Insekten nicht aufhalten.

Biologen der Technischen Universität München untersucht das Verhalten der Linepithema-humile-Ameisen

Sie sind gerade mal zwei Millimeter groß und damit wesentlich kleiner als die meisten einheimischen Ameisen. Sie sind auch nicht wegen ihrer Größe gefährlich, sondern deshalb, weil sie in Massen auftreten. Das macht sie so besonders stark. Argentinische Ameisen überfallen alle Konkurrenten, die ihnen auf ihrem Weg begegnen. Ihre Staaten bestehen aus Millionen und Milliarden Einzeltieren. Ursprünglich stammen sie aus Südamerika. Viele von ihnen reisten um 1900 als blinde Passagiere über den Atlantik - heute werden Handelsschiffe, meist mit Insektizid behandelt, so dass keine Fremdarten lebend ankommen sollen. Doch im geschützt unter feuchten Blättern von Palmen und unter Kaffee- oder Kakao-Säcken erreichen sie ferne Länder.



Erfolgreiche Überlebensstrategien
Was aber macht die argentinischen Winzlinge so extrem erfolgreich? Anders als einheimische Arten verfügen sie über gute Strategien, ihre Macht zu erweitern. In der Welt der Ameisen heißt Macht erweitern: Sie gründen neue Nester, erobern Futterquellen und verdrängen Konkurrenten. Ein wesentlicher Vorteil: Sie haben nicht nur eine einzige Königin, die über einen Staat herrscht. In den Nestern der argentinischen Ameisen teilen sie mehrere Königinnen die Gemächer: 15 bis 20 Stück. Und mehr Königinnen heißt: mehr Nachkommen. Das ist bei Kämpfen mit anderen Ameisenarten vorteilhaft und außerdem bei der Futtersuche. Stirbt eine Königin, stirbt bei einheimischen Ameisen auch der ganze Staat. Nicht so bei den Südamerikanern. Zweiter Vorteil: Argentinische Ameisen sind Allesfresser - sie vertilgen Pflanzen, Tiere und auch Hausmüll. Das macht sie anpassungsfähig an ihre Umgebung. Und noch ein dritter Vorteil: Ameisen der selben Art bekämpfen sich eigentlich untereinander, wenn sie in der Nähe hausen. Die argentinischen Ameisen kämpfen bei der Futtersuche nicht gegeneinander, sie teilen sogar das Futter. Die Münchner Forscher wissen inzwischen, dass die südamerikanischen Eindringlinge offenbar alle miteinander verwandt sind. Über die Grenzen der eigenen Kolonie hinaus. So sparen sie Energie, und die ist wichtig für den Kampf um die Macht.


In die Irre geführt
Warum aber braucht es eine Ameisenvielfalt? Jede Art hat ihre ganz spezielle Aufgabe im Ökosystem. Gäbe es nur noch eine einzige Art, hat das Einfluss auf das gesamte Ökosystem. Einige Aufgaben werden dann nicht mehr erledigt. Deshalb entwickeln Forscher Maßnahmen gegen die Invasion der Südamerikaner. Am erfolgreichsten sind dabei die Münchner Forscher: Sie entwickeln künstliche Duftstoffe, sogenannte Pheromone. Das sind Stoffe, über die die Kommunikation der Ameisen stattfindet. Mit den ausgeschütteten Duftstoffen markiert eine Ameise zum Beispiel für alle anderen Ameisen den Weg zum Futter. Wenn es den Forschern gelingt, mit diesen Duftstoffen die Tiere in eine falsche Richtung zu lenken, stören sie den Informationsfluss. Und das heißt langfristig: Weniger Futter im Nest und die Population kann nicht mehr wachsen oder geht zumindest stark zurück.

Aber bislang sind das nur Laborversuche. Niemand weiß, ob das Experiment in der Natur auch funktioniert. Im Wäldchen von Ceyreste bei Marseille haben die argentinischen Ameisen derweil unaufhaltsam für Nachwuchs gesorgt - eine neue Kolonie mit an die 20 Königinnen gegründet. Die Futterquellen der Umgebung werden von den argentinischen Ameisen kontrolliert, einheimische gibt es nicht mehr. Die Superkolonie der argentinischen Ameisen wird auf diese Weise zum größten Raubtier der Welt.


Weltweit größte Superkolonie
In Äthiopien haben Forscher eine neue Lepisiota-Art entdeckt, die ihrer Ansicht nach ebenfalls das Potenzial zur Welteroberung hat. Lepisiota canescens kommt vor allem in den Hainen und Wäldern vor, die viele orthodoxe Kirchen umgeben.

Die Lepisiota-Ameisen haben gewaltige miteinander vernetzte Kolonien gebildet. Diese Superkolonien erstrecken sich über bis zu 38 Kilometer. Das sind nicht nur die größten weltweit bekannten Superkolonien von Ameisen, diese vernetzten Systeme sind bei Ameisen auch relativ selten – es gibt nur 20 Ameisenarten, die solche Superkolonien bilden.

Durch den zunehmenden Handel mit Afrika, steigt auch die Wahrscheinlichkeit das eine weitere Invasive Ameisenart in die Welt exportiert wird. Wie und ob sich die verschiedenen Superkolonien miteinander Verhalten würden, muss noch erforscht werden, ob sie sich bekämpfen oder dulden.


Weitere Quelle: https://publikationen.badw.de/de/042198748~13_Witte_(Invasive_Ameisen_Superkolonien_super_Dominanz)[BY-ND].pdf